Freitag, Juni 28, 2002

Die Hütte im Urwald

Mittlerweile hat es uns hier in Honduras in eine Finca von einem Deutschen verschlagen, welcher über zehn Jahre lang kreuz und quer um den Globus gereist ist. Über diese Zeit plaudert er denn auch gerne wenn er Opfer findet - und wir sind am Abend bei der Petroleumlampe (Strom gibt es hier nicht) auch dankbare Zuhörer. Auch erwähnt er ein kleines Häuschen in den Bergen mitten im Dschungel - Naja, nicht mittendrin, aber immerhin eine Stunde Fussmarsch von der nächsten Behausung und der nächsten Strasse entfernt... Das ist genau was wir gesucht haben; eine Holzhütte im Dschungel ohne Strom Wasser und Gas! Also traben wir ins Dorf und kaufen Lebensmittel für fünf Tage ein, sind bepackt wie zwei Lastesel - als absolute Luxusgüter schleppen wir 2 Liter Cola und eine Flasche Rum (natürlich nur für medizinische Zwecke ;-) mit hoch - und machen uns am nächsten Morgen auf den Weg. Mit von der Partie ist auch mein neustes Spielzeug, eine Machete welche uns in den Wäldern und am Strand zum trinken von Kokosnüssen gute Dienste leistet. Schweisstriefend, zerkratzt von dem Grünzeugs und gejagt von den Mücken erreichen wir schliesslich die Hütte - Irgendwie sieht das alles sehr viel angenehmer und eleganter aus wenn sich die Filmhelden durch den Dschungel wühlen...

Anyway, in der Hütte finden wir eine gefüllte Petroleumlampe (Juhuii, Licht!), ein paar alte Matratzen (Toll, nicht in der mitgebrachten Hängematte schlafen) und Geschirr für die Feuerstelle hinter dem Haus. Aber leider leider übles leider finden wir kein Besteck, nur einen alten Plastiklöffel in dem übel schmutzigen Geschirr - Tja, so essen wir halt die Spagettis am Abend gemeinsam mit dem einen Löffel nachdem wir sie (Taschenmesser sei Dank) zu einem Mus klein gehäckselt haben. Hier geht aber auch wirklich das letzte bisschen Kultur flöten, Spaghettis mit dem Löffel essen! Tststs...

Dieser Meinung scheint auch die ältere amerikanische Dame zu sein welche uns nach drei Tagen Aufenthalt auf ihrer geführten Pferdetrekking-Tour unerwartet besuchen kommt. Weil wir mit ihrem Reiseführer und dem Pferdeführer spanisch sprechen hält uns die Dame für irgendwelche komischen Einsiedler die hier wohnen - zum Glück haben wir keinen Spiegel sonst wüssten wir vielleicht warum ;-). Jedenfalls denkt sie nicht dass wir englisch sprechen und es ist wirklich sehr witzig wie sie den Reiseführer, welcher uns auch ziemlich amüsiert angrinst, über unser "Einsiedlerleben" ausquetscht. So stellt sie Fragen wie "Und sie (damit sind wir gemeint) kochen alles auf dem Feuer?" - klick, klick und surr, schon photographiert sie unsere Kochstelle mit ihrer Digicam wo wir gerade Frühstück kochen. Oder sie fragt "Woher haben sie denn das Trinkwasser?" als sie neugierig in unserer Hütte herumschnüffelt - Na offensichtlich aus dem Bach werte Frau! Oder "Und sie schlafen wirklich in diesen Hängematten?", worauf ihr der Reiseführer unser Luxusschlafzimmer mit Dschungelpanoramablick und mitgebrachtem Moskitonetz unter dem Dach zeigt. Schliesslich spricht sie uns doch noch auf englisch an als sie den Siddharta von Hermann Hesse auf dem Tisch entdeckt – nachdem sie ihre neugierige Nase in jeden Winkel gesteckt hat. Phuuu! Endlich fühlen wir uns nicht mehr begafft wie Affen im Zoo; was aber leider auch mit sich bringt dass wir der wissbegierigen Dame eine Illusion zerstören: Ja, gnädige Frau wir haben die hohe Kunst des Lesens gelernt, sprechen sogar englisch (vom Akzent mal abgesehen ;-) und sind genauso Touristen... Kaum haben wir uns geoutet werden wir mit Fragen bombardiert und der Reiseführer geniesst sichtlich seine Auszeit und lächelt uns schelmisch zu. Dieser Strolch!

Aber eigentlich wollte ich ja schreiben was wir in diesen fünf Tagen "back to the basics" Leben alles so durchgemacht haben. Also abgesehen vom täglichen Wasserschleppen vom Bach unten zur Hütte (je 30 Liter!), und vom Feuerholz suchen im Dschungel sind wir ziemlich faul und träge, ab und zu machen wir Ausflüge in den Dschungel was aber eine ziemlich mühsame Angelegenheit ist weil die Pfade hier fast alle wieder zugewachsen sind und man sich mit der Machete durchschlagen muss. Jana hat ihre ganz persönliche Fehde (Ich verkneife mir das Grinsen) mit einer ganz miesen Sorte von Gras welche einen ganz übel zerkratzt - das geht so weit dass sie so mit der Machete wütet dass das Grünzeugs nur so von ihr wegfliegt, aber nach zehn Minuten ist die Luft raus und sie stampft frustriert von dannen mit den Worten "Ist ja kein Zustand hier! Mist. Ich muss mich baden und danach will ich mein Buch in der Hängematte lesen!" - Ich weiss bis heute noch nicht wer bei dieser Aktion mehr Blut gelassen hat: Die völlig zerkratzte Jana oder das niedergesäbelte Grünzeugs... Als ich dann eine Stunde später auch zur Hütte zurückkehre kommt mir eine ziemlich verschwitzte Jana entgegen (vor lauter Wut zischen kleine schwarze Dampfwölkchen aus ihren Ohren) und sie gesteht mir dass sie die ganze Zeit die Hütte gesucht habe... Und auch ich lerne dass einem die Natur nicht immer freundlich gesinnt ist, denn als ich beim Holzhacken mit der Machete irrtümlich ins Strohdach stochere erwische ich ein Wespennest und schon summen Hunderte von diesen Dingern um mich herum, ich lasse alles fallen und spurte schreiend den Hügel hinunter - anscheinend schnell genug, denn ich werde nur drei Mal gestochen. Ausser den Wespen haben wir noch zwei Schlangen als Hausgäste; eine lebt bei der Feuerstelle und die andere hinter irgendwelchen Säcken in der Hütte.

Am morgen essen wir jeweils frische Pancakes welche mit Holzasche gepudert sind weil wir sie auf dem Holzfeuer gebacken haben und geniessen die Aussicht und die Geräusche des Dschungels. Auch das Duschen ist ein Ereignis für sich; der Bach ist circa 200 Meter unterhalb von unserer Hütte mitten im Wald unter einem grünen Blätterdach wo man sich mit Seife und einer Plastikschüssel als Duschbrausenersatz gemütlich duschen kann - Die Krönung dieser Urwalddusche ist wenn dann noch ein schönes Gewitter aufzieht...

Nach fünf Tagen kehren zwei ziemlich zerkratzte, zerstochene, verdreckte und verschwitzte Wesen in die Zivilisation zurück - Phuu, auch wenn es noch so schön ist Nachts mit einer Petroleumlampe in einer Hängematte im Dschungel zu sein, die Zivilisation hat auch sein gutes ;-).

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