Freitag, Juni 28, 2002

Die Hütte im Urwald

Mittlerweile hat es uns hier in Honduras in eine Finca von einem Deutschen verschlagen, welcher über zehn Jahre lang kreuz und quer um den Globus gereist ist. Über diese Zeit plaudert er denn auch gerne wenn er Opfer findet - und wir sind am Abend bei der Petroleumlampe (Strom gibt es hier nicht) auch dankbare Zuhörer. Auch erwähnt er ein kleines Häuschen in den Bergen mitten im Dschungel - Naja, nicht mittendrin, aber immerhin eine Stunde Fussmarsch von der nächsten Behausung und der nächsten Strasse entfernt... Das ist genau was wir gesucht haben; eine Holzhütte im Dschungel ohne Strom Wasser und Gas! Also traben wir ins Dorf und kaufen Lebensmittel für fünf Tage ein, sind bepackt wie zwei Lastesel - als absolute Luxusgüter schleppen wir 2 Liter Cola und eine Flasche Rum (natürlich nur für medizinische Zwecke ;-) mit hoch - und machen uns am nächsten Morgen auf den Weg. Mit von der Partie ist auch mein neustes Spielzeug, eine Machete welche uns in den Wäldern und am Strand zum trinken von Kokosnüssen gute Dienste leistet. Schweisstriefend, zerkratzt von dem Grünzeugs und gejagt von den Mücken erreichen wir schliesslich die Hütte - Irgendwie sieht das alles sehr viel angenehmer und eleganter aus wenn sich die Filmhelden durch den Dschungel wühlen...

Anyway, in der Hütte finden wir eine gefüllte Petroleumlampe (Juhuii, Licht!), ein paar alte Matratzen (Toll, nicht in der mitgebrachten Hängematte schlafen) und Geschirr für die Feuerstelle hinter dem Haus. Aber leider leider übles leider finden wir kein Besteck, nur einen alten Plastiklöffel in dem übel schmutzigen Geschirr - Tja, so essen wir halt die Spagettis am Abend gemeinsam mit dem einen Löffel nachdem wir sie (Taschenmesser sei Dank) zu einem Mus klein gehäckselt haben. Hier geht aber auch wirklich das letzte bisschen Kultur flöten, Spaghettis mit dem Löffel essen! Tststs...

Dieser Meinung scheint auch die ältere amerikanische Dame zu sein welche uns nach drei Tagen Aufenthalt auf ihrer geführten Pferdetrekking-Tour unerwartet besuchen kommt. Weil wir mit ihrem Reiseführer und dem Pferdeführer spanisch sprechen hält uns die Dame für irgendwelche komischen Einsiedler die hier wohnen - zum Glück haben wir keinen Spiegel sonst wüssten wir vielleicht warum ;-). Jedenfalls denkt sie nicht dass wir englisch sprechen und es ist wirklich sehr witzig wie sie den Reiseführer, welcher uns auch ziemlich amüsiert angrinst, über unser "Einsiedlerleben" ausquetscht. So stellt sie Fragen wie "Und sie (damit sind wir gemeint) kochen alles auf dem Feuer?" - klick, klick und surr, schon photographiert sie unsere Kochstelle mit ihrer Digicam wo wir gerade Frühstück kochen. Oder sie fragt "Woher haben sie denn das Trinkwasser?" als sie neugierig in unserer Hütte herumschnüffelt - Na offensichtlich aus dem Bach werte Frau! Oder "Und sie schlafen wirklich in diesen Hängematten?", worauf ihr der Reiseführer unser Luxusschlafzimmer mit Dschungelpanoramablick und mitgebrachtem Moskitonetz unter dem Dach zeigt. Schliesslich spricht sie uns doch noch auf englisch an als sie den Siddharta von Hermann Hesse auf dem Tisch entdeckt – nachdem sie ihre neugierige Nase in jeden Winkel gesteckt hat. Phuuu! Endlich fühlen wir uns nicht mehr begafft wie Affen im Zoo; was aber leider auch mit sich bringt dass wir der wissbegierigen Dame eine Illusion zerstören: Ja, gnädige Frau wir haben die hohe Kunst des Lesens gelernt, sprechen sogar englisch (vom Akzent mal abgesehen ;-) und sind genauso Touristen... Kaum haben wir uns geoutet werden wir mit Fragen bombardiert und der Reiseführer geniesst sichtlich seine Auszeit und lächelt uns schelmisch zu. Dieser Strolch!

Aber eigentlich wollte ich ja schreiben was wir in diesen fünf Tagen "back to the basics" Leben alles so durchgemacht haben. Also abgesehen vom täglichen Wasserschleppen vom Bach unten zur Hütte (je 30 Liter!), und vom Feuerholz suchen im Dschungel sind wir ziemlich faul und träge, ab und zu machen wir Ausflüge in den Dschungel was aber eine ziemlich mühsame Angelegenheit ist weil die Pfade hier fast alle wieder zugewachsen sind und man sich mit der Machete durchschlagen muss. Jana hat ihre ganz persönliche Fehde (Ich verkneife mir das Grinsen) mit einer ganz miesen Sorte von Gras welche einen ganz übel zerkratzt - das geht so weit dass sie so mit der Machete wütet dass das Grünzeugs nur so von ihr wegfliegt, aber nach zehn Minuten ist die Luft raus und sie stampft frustriert von dannen mit den Worten "Ist ja kein Zustand hier! Mist. Ich muss mich baden und danach will ich mein Buch in der Hängematte lesen!" - Ich weiss bis heute noch nicht wer bei dieser Aktion mehr Blut gelassen hat: Die völlig zerkratzte Jana oder das niedergesäbelte Grünzeugs... Als ich dann eine Stunde später auch zur Hütte zurückkehre kommt mir eine ziemlich verschwitzte Jana entgegen (vor lauter Wut zischen kleine schwarze Dampfwölkchen aus ihren Ohren) und sie gesteht mir dass sie die ganze Zeit die Hütte gesucht habe... Und auch ich lerne dass einem die Natur nicht immer freundlich gesinnt ist, denn als ich beim Holzhacken mit der Machete irrtümlich ins Strohdach stochere erwische ich ein Wespennest und schon summen Hunderte von diesen Dingern um mich herum, ich lasse alles fallen und spurte schreiend den Hügel hinunter - anscheinend schnell genug, denn ich werde nur drei Mal gestochen. Ausser den Wespen haben wir noch zwei Schlangen als Hausgäste; eine lebt bei der Feuerstelle und die andere hinter irgendwelchen Säcken in der Hütte.

Am morgen essen wir jeweils frische Pancakes welche mit Holzasche gepudert sind weil wir sie auf dem Holzfeuer gebacken haben und geniessen die Aussicht und die Geräusche des Dschungels. Auch das Duschen ist ein Ereignis für sich; der Bach ist circa 200 Meter unterhalb von unserer Hütte mitten im Wald unter einem grünen Blätterdach wo man sich mit Seife und einer Plastikschüssel als Duschbrausenersatz gemütlich duschen kann - Die Krönung dieser Urwalddusche ist wenn dann noch ein schönes Gewitter aufzieht...

Nach fünf Tagen kehren zwei ziemlich zerkratzte, zerstochene, verdreckte und verschwitzte Wesen in die Zivilisation zurück - Phuu, auch wenn es noch so schön ist Nachts mit einer Petroleumlampe in einer Hängematte im Dschungel zu sein, die Zivilisation hat auch sein gutes ;-).

Freitag, Juni 21, 2002

Honduras und die Grenzformalitäten

Weiter geht's nach Honduras wobei die Grenzformalitäten wieder Stunden dauern: Erste Schlange anstehen um Ausreiseformular ausfüllen zu können, ein zweites Mal anstellen um den Ausreisestempel in den Pass zu kriegen. Dieser Beamte behält den Pass in Verwahrung und stellt mit akribischer Sorgfalt eine Rechnung über 2$ aus - um die zu bezahlen ist Schlange stehen vor dem Kassahäuschen angesagt wo uns jedoch nur ein Einzahlungsschein in 5-facher (!!!) Ausfertigung ausgestellt wird den wir doch bitte in der Bank nebenan einzahlen sollen... Mit der Quittung in der Hand dränge ich mich in der ersten Schlange unter lautem Protest vor und halte endlich wieder meinen Pass in der Hand. Das 6te und letzte Mal anstehen ist für den Honduras Einreisestempel - Und trotzdem erzählt man sich die Deutschen wären DIE Bürokraten, Tststs.

Tegucigalpa, die Hauptstadt gefällt mir nicht besonders - Vielleicht liegt es daran dass unser Hotel nicht gerade in der sichersten Gegend liegt - dafür gerade vis á vis vom Busterminal welches uns weiterbringen soll. Um sieben Uhr Abends wird unser Hotel verriegelt wie eine Festung, da gibt es kein herein- und auch kein herauskommen mehr. Das Nachtessen nehmen wir im Comedor nebenan ein und die grösste Attraktion für die Gäste dort ist, als draussen auf der Strasse jemand überfallen wird. Hier schaut jeder nur auf sich, wegschauen wenn was passiert dass einem nicht betrifft ist die Devise - Hilfe darf man nicht erwarten wenn man überfallen wird.

Mir scheint es so als ob hier jedermann bewaffnet wäre, denn als ich am nächsten Tag in der Bank vor dem Metalldetektor stehe, sehe ich dass dort praktisch alle Honduranischen Kunden ihre Revolver abgeben - Nichts wie weg aus dieser Stadt und hoch an die Karibikküste aufs Land!

Dienstag, Juni 18, 2002

Auch der Pass geklaut...

Am Abend erreichen wir Puerto Cabeza an der Karibik. Endlich! Die Leute hier staunen nicht schlecht als sie erfahren dass wir nicht per Flugzeug oder Schiff sondern mit Bussen quer durchs ganze Land angereist sind. Eigentlich sollte Puerto Cabeza der Ausgangspunkt für unser nächstes Abenteuer werden: Wir wollen von hier nach Honduras einreisen (wieder einmal meint der gute alte Lonely-Planet das gehe nicht...) und dort die fast unbewohnte Mosquito (nur Dschungel und Flüsse, keine Strassen) zu durchqueren. Nach zwei Tagen Fragerei haben wir endlich den ersehnten Exit-Stempel in unserem Pass - die Grenze ist zwar noch 100 Kilometer entfernt aber Grenzposten gibt es keine...

Der Pass mit dem noch feuchten Stempel kommt mir eine Stunde später weg als ich Trottel am Strand einschlafe und mir unbemerkt jemand meine schmutzige Hose welche gleich neben mir liegt wegklaut. Mist! Jana das arme Schaf (Ausdruck von ihr geprüft, aber nicht gebilligt ;-) folgt mir den langen Weg zurück nach Managua um einen neuen Pas zu organisieren; aus der Traum von der Mosquita... Nach drei Tagen warten und 106 $ Gebühren wird mir der Pass welcher in Costa Rica ausgestellt wurde ausgehändigt, einen Dank an das rasch und freundlich arbeitende Konsulat!

Mittwoch, Juni 12, 2002

Das ländliche Nicaragua und über das Busfahren

Nach diesem Städtemarathon zieht es uns wieder aufs Land: Wir wollen die kaum bewohnte Nord-Ost Region des Landes fernab von den Rucksacktouristen besuchen. Unser Lonely-Planet hüllt sich darüber in Schweigen und meint bloss man solle die Finger davon lassen (Plündernde Banden Landminen aus dem Krieg und so gut wie keine Polizei) die Einheimischen welche wir befragen halten die Gegend aber ausschliesslich als sicher. Let's go!! Was zeigt das der Lonely-Planet manchmal ziemliche Unzulänglichkeiten hat...

Die nächsten zweieinhalb Tage reisen wir per Chickenbus an die nördliche Karibikküste von Nicaragua; die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt vielleicht bei circa 20 Km/h und die Erdpiste ist so schlecht dass ich mir ab und zu meinen Kopf am Busdach anstosse weil ich mich nicht mehr auf dem Sitz festhalten kann (zum Glück kann weder bei meinem Kopf noch beim Busdach nichts mehr kaputtgehen). Ab und zu durchfahren wir Flüsse (wieso denn Brücken bauen?!) oder durchqueren so tiefen Schlamm dass ich Angst habe wir bleiben stecken. Einmal müssen wir bei einer Brücke zuerst die Holzbalken wieder herrichten bevor der Bus ohne Passagiere darüber fährt, ich wusste gar nicht dass man Holz so stark verbiegen kann ohne dass es bricht...


Immer wieder passieren wir einzelne ganz einfache Holzhäuser mit Strohdächern und kleinen Kindern welche alle ganz dicke Bäuche haben. Später habe ich die Gelegenheit einem Arzt deswegen zu fragen und er meint dass dies durch Parasiten in den Mägen der Kinder verursacht würde. Zum Mittagessen halten wir in einem winzigen Dorf bei einem Comedor an. Dieser Comedor besteht aus einem einzigen Raum (Küche, Schlafplatz, Esstische) gekocht wird natürlich auf Holzfeuer und auf dem Erdboden spazieren Enten und Hühner während man für umgerechnet einen US Dollar sein Mittagessen holt. Während ich esse entdecke ich an der Wand zwei Plakate einer US Hilfsorganisation: Plakat Nummer eins erklärt WARUM eine Latrine doch eine ganz nützliche Einrichtung sei und Plakat Nummer zwei WIE man so eine Einrichtung benutzen sollte - In dieser Gegend gilt sogar ein Plumpsklo als Luxus...

Immer wieder hält unser Rüttelbus an um Leute und Waren auf- oder abzuladen, was immer wieder in einem einzigen grossen Chaos endet, weil der Bus völlig überladen ist. Ich habe jeweils beide Hände voll zu tun um unsere Rucksäcke und die Gitarre (Mittlerweile hat sich uns eine Schweizerin aus Aarberg angeschlossen) vor tropfenden Dieselkanistern, kackenden Hühnern oder einfach schlammtriefenden Gummistiefeln zu bewahren. So ist es denn auch nicht verwunderlich dass es im Bus zu offenen Konflikten kommt: Plötzlich hören wir eine völlig entsetzte Frauenstimme rufen: "Aber Señora, nehmen sie bitte ihre Füsse aus meinem Käse!! Ich bitte sie, so etwas macht man doch nicht!" Aber die angesprochene Frau welche mit ihren schmutzigen Gummistiefeln mitten in einem Korb voll mit abgedecktem weissem Käse steht ignoriert die Dame und nimmt ihre Füsse erst aus dem Käse als ihr angedroht wird denselben bezahlen zu müssen. Ich meinerseits habe meine Fehde mit einer anderen Dame welche ihre Hühner auf unsere Rucksäcke schmeisst, denn zufällig weiss ich von früher (Tja, was man nicht so allerlei nützliches lernt!) dass Hühner einem den Rucksack ziemlich übel Vollscheissen können. Also bringe ich die Rucksäcke unter einigem Protest und gegackere und geflattere von den Hühnern in Sicherheit. Mein Engagement gibt mir Recht denn einige Stunden später entdeckt der Busbegleiter die im eigenen Kot auf dem Busboden liegenden Hühner eingeklemmt zwischen Reissäcken (notabene direkt neben dem zertrampelten Käse) - und verlangt nun seinerseits von der Besitzerin dass sie die Schweinerei aufwische. Praktisch veranlagt wie die Dame ist, (und aus Mangel an Papier) packt sie ein Huhn an den Beinen und wischt mit diesem flatternden Ding, sozusagen als lebender Putzlappen, kurz über den Busboden und alle sind zufrieden.

Zusätzlich zu den Dieselkanistern (immer noch tropfend) den Reis- und Bohnensäcken(verschissen), dem Käsekorb (zertrampelt von schlammigen Stiefeln) und den Hühnern (auch ziemlich zerfleddert) führen wir noch quiekende Schweine mit. Diese sind hübsch verpackt in Leinensäcken so dass je nach Verpackungsgrad nur noch Schnauze oder Kopf heraus schaut. Die kleinen quickenden Gesellen werden im Bus, die grossen auf dem Busdach mit transportiert - was ganz schön unangenehm werden kann wenn sie pinkeln und die Sauce ins geöffnete Fenster tropft. Dieser Meinung ist jedenfalls Jana als sie empört an ihrem vollgespritzten T-Shirt schnüffelt und resigniert meint: "Iiih, jetzt rieche ich nach Tier...". Mitfühlend wie ich bin versuche ich ihr einzureden dass es bestimmt nur irgendwelches Regenwasser war und gebe mir dabei Mühe nicht allzu sehr die Nase zu rümpfen.

Die Nacht verbringen wir in Siuna, DER Stadt im Umkreis von 200 Kilometern wie uns die Bewohner stolz verkünden. Strom gibt es schon seit ein paar Tagen nicht mehr weil man im örtlichen E-Werk irgendwelche Probleme mit dem Dieselgenerator habe, was aber normal wäre. Fliessend Wasser gibt es auch nicht und als Toilette dient ein Plumpsklo. Um sich zu waschen und zu duschen schöpft man im Kerzenlicht mit einer kleinen Plastikschüssel das trüb-grüne Wasser aus einem Trog welches aus einem Ziehbrunnen stammt. Das Highlight sind aber die winzigen Bretterverschläge von Zimmern mit den Hinweisschildern wo darauf steht: "Bitte pissen und scheissen sie nicht in die Zimmer" Wäääh - Ab diesem Moment betrete ich das Zimmer nur noch höchst widerwillig. Touristen gibt es hier keine, höchstens Nicaraguanische "Geschäftsleute" welche umher reisen und den Pulperias irgendwelche Artikel wie Seife oder Wäscheklammern verkaufen, daher sind wir extrem begehrte Gesprächspartner bei den Leuten.

Hier kaufe ich auch für 3 Cents einen Stapel Malariamedikamente welche in der Schweiz über 30 SFr. kosten - und eine nette Frau zeigt uns daraufhin noch die Kirche, der Stolz der Leute und das restliche Dorf. Überhaupt sind die Leute hier in Nicaragua sehr freundlich und hilfsbereit und das Land gilt zurecht als das sicherste in Zentralamerika obwohl es das ärmste ist - aber eben es ist ein 3. Welt Land und darum muss man sich nicht wundern wenn viel geklaut wird (Darüber später mehr). Am nächsten Tag als wir nach stundenlangem Warten und Suchen (Die Leute hier sagen einem lieber was falsches als gar nichts) endlich einen Bus welcher in unsere Richtung fährt finden, fährt auf dem Busdach sogar noch ein ergeben blickender Hund mit hängenden Ohren und ein Polizist mit schusssicherer Weste und Sturmgewehr mit. Ersterer weil sein Herrchen auf den Markt will und der zweite um uns vor den Banditen zu beschützen (oder umgekehrt) - mich dauern jedenfalls beide als der Bus kurz darauf wieder durch Schlaglöcher holpert so dass wir uns auf den Sitzen festhalten müssen.

Donnerstag, Juni 06, 2002

Managua und Umgebung


Inzwischen sind die Reisecheques wieder ersetzt (geht wirklich schnell und unbürokratisch) und weiter geht's mit einem Städtehüpfen nach Managua, Masaya Leon und Matagalpa. Nach langem Reisen ohne in grossen Städten zu sein ist Managua eine Wohltat für unsere Seele: Hier gibt es klimatisierte Hochglanz US-Einkaufstempel wo wir stundenlang herum streunen können nur um wieder einmal die Ambiance von "unserer" Welt einfangen zu können. Keine Mercados welche nach Kot und ungekühltem Fleisch stinken. Bei Jana treibt dieses "Zurück in die Zivilisation" - Feeling solche Blüten dass sie eine halbe Stunde lang in einer Parfümerie verbringt und so viele Sorten durchprobiert dass auch ich von oben bis unten voll mit Parfum Müsterchen bin und so süss dufte wie eine Bordsteinschwalbe in Amsterdam. Bei mir endet es darin dass ich morgens um zehn Uhr mit heraushängender sabbernder Zunge und leuchtenden Augen am verschlossenen Eisengitter von Macdonalds klebe und sehnlichst darauf warte dass ich was bestellen kann - Tja, täglich drei Mal Reis und Böhnchen können einen Menschen schon prägen ;-). Und dann das Kino: Diese 2$ Investition hat sich voll gelohnt; ganz egal was es für ein Film ist, es geht nur darum wieder einmal mit sauberen Klamotten im sauberen Kinosessel zu sitzen. Nach dem Film wird mir wieder einmal bewusst dass hier in Managua eine Zweiklassengesellschaft lebt: Die Reichen welche sich in den American Malls tummeln und die armen welche in den Wellblechhütten hausen. Das Prozedere nach dem Filmende ist das folgende: Wir werden alle in die eigene und moderne Tiefgarage dirigiert welche von Maschinenpistolen bewaffneten Wächtern beschützt wird. Dort warten schon Taxis -aber nur solche von renommierten Unternehmen wo man weiss das sie vertrauenswürdig sind, denn hier darf man nicht einfach in ein X-beliebiges Taxi einsteigen. Nachts verschanzt man sich hier hinter Eisengitter und Stacheldraht und läuft keinen Meter zu Fuss. Managua ist nicht wirklich toll: Das Zentrum wurde wiederholt von Erdbeben zerstört (Zuletzt 1972) und es wurde nicht wieder aufgebaut, so ist die Stadt heute eine unstrukturierte Ansammlung von Wohnhäusern und Mercados ohne Zentrum und Planung.

Dazwischen besuchen wir noch den Vulkan Masaya, welcher noch aktiv ist, ganz schön qualmen soll und viele weitere Sehenswürdigkeiten wie Fumaroles, Lavahöhlen, und und und haben soll. Leider haben sie vergessen zu erwähnen dass die asphaltierte Strasse unter praller Sonne hochführt (In Managua hat es Morgens um 8 Uhr schon 32 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit) und wir haben nur drei Liter Wasser dabei. Schliesslich nimmt uns das einzige Auto weit und breit mit, die beiden Franzosen vor uns müssen zu Fuss weiter - wir sehen sie zwei Stunden später mit hochroten Köpfen wie Maschinen an uns vorbei stampfen als wir gerade im Schatten unsere berühmten Sandwichs mampfen. Der Krater qualmt denn auch gewaltig und beissender Schwefelgeruch nimmt uns den Atem während es mich zu dem Punkt am Kraterrand zieht wo die Indios früher junge Frauen opferten indem sie sie in den Krater schmissen - aber der Aufseher bremst uns weil die Dämpfe zu giftig wären und auch Jana scheint darüber nicht unglücklich zu sein, denn sie meint ich wäre so begeistert von der Indio Saga dass ich sie am liebsten auch herunterschupsen würde, was natürlich eine gemeine Unterstellung ist ;-)... Danach machen wir uns weiter unten am Vulkan auf die Suche nach den Fumaroles: Längst sind unsere Wasserflaschen leer als wir endlich ein winziges Dampfwölkchen entdecken welches sich unauffällig aus einem Erdloch herauszuschleichen versucht - welche Enttäuschung, stundenlang quälten wir uns in dieser Hitze ab und alles was wir von den versprochenen Highlights entdeckt haben ist ein mickeriges Dampfwölkchen... *Grmpf*

Samstag, Juni 01, 2002

Von geklauten Kreditkarten und Traveller Cheques

Tja, und dann passiert das was mir passieren musste (und mir gewisse Leute auch prophezeit hatten). Ich vermisse meine Bauchtasche mit meinen Kreditkarten und all meinen Reisecheques... In solchen Momenten ist es praktisch wenn man nicht alleine reist man hat dann immer noch jemand der Bank spielen kann. In Sachen Geld sind Jana und ich ein Dream-Team: auch sie hat ewig Probleme mit ihrer Karte Geld zu kriegen, alleine wären wir schon wohl längst irgendwo verhungert.

Anyway, ich habe das Gefühl dass meine Tasche noch in El Castillo liegen könnte, also nichts wie hin, sind ja nur 20 Stunden reise (one way)...*Ächz*. Dort angekommen finde ich natürlich nichts und ich muss so schnell wie möglich alles sperren lassen weil mir die Sachen sehr wahrscheinlich auf der Fähre geklaut worden sind. Ein Satellitentelephon welches mich 6 USD die MINUTE kostet ist da nicht wirklich geeignet dafür... Tja und das sind denn so die Zeiten wo einem das Reisen echt anstinken kann; denn aus Mangel an einem Transportmittel sitze ich in einem kleinen Dorf fest. Ich wohne im schäbigsten Hotel (man kann ja schliesslich nicht viel ausgeben wenn man nichts mehr hat) und esse in der billigsten, heruntergekommensten Bretterbude eine Tortilla. Sie ist zwar billig, aber das Tortilla ist kalt - und gespickt mit ganz winzigen Ameisen welche ich wegzufusseln versuche. Alarmiert von den Tierchen untersuche ich dieses Tortilla-Ding etwas genauer: der Kürbissalat hat wirklich komische Farben und das Schweinefleisch (Ja hört nur gut zu: ich esse wieder Fleisch hier!) ist wirklich eklig. Aber unter einigen Brechreizen verspeise ich dieses Ungetüm dann doch in der schmuddeligen Bretterhütte mit Erdboden - Ein Wunder das ich mir nichts eingefangen habe (Im Managua McDonalds kann man in den Toiletten folgender Spruch lesen: Bitte waschen sie sich die Hände um Cholera zu vermeiden, wähhhh!).

Zurück nach Granada geht es in den nächsten zwei Tagen mit dem Bus über Managua. Die Busfahrt ist zwar anstrengend und mein Hintern hat ziemlich gelitten aber sie ist es doch Wert. Die Strasse ist eine Erdpiste mit riesen Schlaglöchern - wir müssen zwei mal Reifen wechseln und sechs mal Kühlwasser nachfüllen. Das Dach von unserem Bus (wie alle, ein alter US Schulbus) ist voll mit Körben und Ersatzreifen und Leute fahren zeitweise auf dem Dach mit. Die Häuser welche ich unterwegs sehe (Zeit genug habe ich, denn das Durchschnittstempo war bei ca. 30Km/h) haben fast ausschliesslich Palmblätterdächer und die Wände sind aus dünnen Ästen wo man überall durchsehen kann - aber alle besitzen einen uralten winzig kleinen schwarz-weiss Fernseher. Autos kreuzt man eigentlich keine hier höchstens Fahrräder und Pferdekarren. Am Abend, bei einem Restaurant mit Billardtisch und "Disco" sieht man keine Golf GTI's parkiert sondern Unmengen an angebundenen und gesattelten Pferden wie im Wilden Westen!