Dienstag, Mai 28, 2002

Am Rio San Juan Del Sur


Weiter geht's diesmal mit einer richtigen Fähre und keiner Nussschale zu einem ziemlich abgelegenen Ort (Alle Lebensmittel kommen zweimal die Woche mit dieser Fähre). Das Boot legt am Abend von der Insel ab um am nächsten Morgen am Südende des Nicaraguasees anzukommen. Vera und Niels (ein netter Holländer den wir aufgelesen haben) wollen die Nacht auf harten Bänken im stickig -heissen und überfüllten Aufenthaltsraum verbringen. Jana und meine Wenigkeit wollen unsere Hängematten irgendwo im Freien aufhängen. Leider passt das unserem Schiffsaufseher, einem kleinen Männchen um die 50 mit eindrucksvoller goldbestickter Mütze nicht: Lauthals wettert er los als ich irgendwo in luftigen Höhen auf den Aufbauten herumklettere um die Hängematten zu befestigen. Hartnäckig ignoriere ich ihn bis die Hängematten befestigt sind um mich danach über meine Tat zu entschuldigen - So läuft das hier, Hauptsache die Dinger hängen. Die Nacht verbringen wir Cuba-Libre schlürfend über dem rauschenden Wasser in unseren Hängematten - Das es trotzdem ziemlich Kalt wurde darf man ja nicht zugeben. Das Schiff sieht aus wie ein Flüchtlingsdampfer: völlig überfüllt liegen die Leute kreuz und quer auf dem Deck. Als die einzigen Gringos und noch dazu mit Hängematten bewaffnet werden wir natürlich misstrauisch beobachtet: Vor allem unser Schiffsaufseher taucht immer wieder hinter den komischsten Stellen auf um uns unauffällig und misstrauisch zu beobachten ob wir wohl wieder was anstellen werden.


In San Carlos, einem kleinen Kaff mit schlammigen Strassen angekommen, nehmen wir gleich ein Boot welches uns 50 Kilometer Flussabwärts in ein kleines völlig abgelegenes Dorf mitnimmt. Die Flussfahrt ist auch hier wieder ein Erlebnis: Der Fluss ist völlig braun und fliesst durch praktisch unbesiedeltes Gebiet, immer wieder legt das kleine Boot am Ufer an um Leute aufzunehmen oder abzuladen; aber Anlegestellen gibt es nirgends und auch wundere ich mich immer wieder woher diese Leute kommen oder wohin sie gehen, weil Häuser kann man fast nirgends entdecken - nach dem Anlegen montieren die Leute fast immer ihre Gummistiefel, was zuweilen ziemlich komisch aussieht weil ja alle ihre Sonntagskleidung tragen wenn sie in die "Stadt" gehen...

Auch auf diesem Boot sind wir die einzigen Touristen und man kommt leicht mit den Einheimischen ins Gespräch; so erfährt man dass hier viele Leute weder lesen noch schreiben können (nur ihre Unterschrift) und dass viele noch nie irgendwo anders als an ihrem Fluss waren in ihrem Leben. Wozu denn auch? Schliesslich arbeitet man hier sieben Tage die Woche ohne Ferien wenn man Arbeit hat - und das Geld fehlt meistens auch. Nach vier Stunden kommen wir in El Castillo einem Dorf mitten im Nichts an. Die Häuser stehen hier alle auf Pfosten am oder über dem Fluss, die kleinen Klohäuschen stehen immer über dem Wasser weil man ja keine Kanalisation kennt und manche Leute ziehen sich das Wasser zum Duschen einfach mit einem Kübel hoch ins Badezimmer. Praktisch... Frischwasser ist äusserst rar und so ist es normal wenn der Wasserhahn trocken bleibt wenn man den Hahn aufdreht, normalerweise hat man pro Tag vielleicht eine Stunde Wasser, und so steht auch im Bad von unserer Hospedaje ein rostiges altes Ölfass welches man immer mit Wasser füllt - Der Wasserhahn ist immer offen, man will ja nichts verpassen wenn man um 2 Uhr morgens plötzlich Wasser hat. Aus diesem Wasserfass nimmt man denn auch das Wasser um sich zu duschen und für die Toilette.

Das Dorf hat keine Telefone - das heisst eigentlich gäbe es eine Richtstrahlverbindung, aber die funktioniert schon seit Urzeiten nicht mehr und so ist die einzige Verbindung ein Satellitentelephon im Luxushotel der Stadt, doch davon später ;-). Das Leben spielt sich hier meistens am Fluss ab, die Kinder planschen in der Hitze im schlammigbraunen Wasser und die Leute sitzen den ganzen Tag in ihren Schaukelstühlen ohne etwas zu machen, ja das Leben ist ruhig. Von meinen drei Mitreisenden ernte ich Ekel und Unverständnis wenn ich mich auch in dem braunen Fluss bade und mich einseife weil unser Wasserfass schon seit einem Tag leer ist. Frauen welche ewig duschen und sich immer die Haare waschen können ganz schön stressig sein wenn man sich ein Wasserfass teilen muss. Gekonnt halte ich mich von den Toilettenhäuschen am Fluss fern und geniesse das erfrischende Bad im kühlen Wasser mit den einheimischen Kindern... An den Tagen die wir hier verbringen spazieren wir in der Umgebung oder paddeln in einem Holzkanu irgendeinen Fluss hoch. Die Leute hier sind wahnsinnig nett, wenn man zum Beispiel den Fluss überqueren will holt einen immer jemanden ab oder nimmt einen mit und Geld wollen sie nicht annehmen, das Leben ist hier noch in Ordnung... Niels hat wohl irgendwas schlechtes gegessen denn er muss sich zwei Tage lang erbrechen und lässt es sich trotzdem nicht nehmen an unseren Ausflügen teilzunehmen (Harte Kerle diese Holländer ;-) Allmählich habe ich das Gefühl dass sich alle Leute um mich herum was einfangen, denn auch Jana (Gruss auch an Dani ;-) hatte 10 Tage lang ziemliche Magenprobleme in San Juan del Sur bis sie sich in eine Baracke wagte dessen Schild besagte das es eine Klinik wäre, die Kakerlaken schien das allerdings nicht zustören. Die Ärztin liess sie erst wieder gehen als sie ihr 3 Liter isotonische Salzlösung eingeflösst hatte, Jana war wohl schon ziemlich ausgetrocknet...

Eigentlich kamen wir nach E1 Castillo um eine alte Spanische Festung zu besichtigen, denn dieser Fluss war Jahrhunderte lang der wichtigste Weg um nach Granada und damit zu den Spanischen Kolonien in Lateinamerika zu kommen. Die Ruine zeugt von grossen Schlachten welche hier zwischen den Spaniern und den Engländern mitten im Nichts geführt wurden. Zurück qeht's in die "Zivilisation" nach Granada.

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